Arbeitsrecht

Generalkollektivvertrag Corona-Tests und Maskenpflicht

Nur bei besonderen Anlässen und dem Wunsch nach flächendeckender Vereinheitlichung werden in Österreich durch die Sozialpartner Generalkollektivverträge („General-KV“) erlassen. Bis vor kurzem gab es in Österreich nur sechs derartige Generalkollektivverträge (zum Entgelt-Begriff, zum Urlaubsgesetz Entgelt, über die Beschäftigungsbedingungen ausländischer Arbeitnehmer,  zur 40 Stunden Woche und zur Karfreitagsregelung).

Im Zuge der noch immer andauernden Corona-Pandemie wurde als Begleitmaßnahme zu den ausgeweiteten Maskenpflichten zwischen den Sozialpartnern und der Industriellenvereinigung nunmehr ein neuer Generalkollektivvertrag1 vereinbart, welcher mit 25.1.2021 in Kraft trat. Im Nachfolgenden soll ein kurzer Überblick über die wichtigsten Eckpunkte des neuer Generalkollektivvertrag gegeben werden.

Geltungsbereich

Der General-KV gilt für sämtliche Mitgliedsbetriebe der Wirtschaftskammer und auch für jene, für die die Wirtschaftskammer kollektivvertragsfähig ist. Keine Geltung erlangt der General-KV für Betriebe, bei denen durch eine freiwillige Berufsvereinigung der Arbeitgeber ein eigener Kollektivvertrag abgeschlossen ist (zB Bankenverband, Österreichisches Rotes Kreuz, Sozialwirtschaft Österreich etc). Der General-KV gilt auch nicht für Betriebe, die weder der Wirtschaftskammer angehören noch für die ein eigener Branchen-KV gilt (KV-freie Bereiche zB Rechtsanwälte). Es ist jedoch geplant, den General-KV zu satzen, damit sich dessen Gültigkeit auch auf ebendiese Betriebe erstreckt. Die diesbezüglichen Entwicklungen bleiben abzuwarten.

Regelungsbereiche des General-KV

Der General-KV sieht Regelungen für drei Bereiche vor:

  • Recht auf Freistellung zum Testen
  • Benachteiligungsverbote
  • Maskenpause

1. Freistellungsanspruch

Arbeitnehmer, die kraft Verordnung (3. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung – 3. COVID-19-NotMV2) derzeit zum Testen verpflichtet sind, haben einen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung des Entgeltes für die Abhaltung des Test gegenüber dem Arbeitgeber. Aktuell betrifft dies ua folgende Berufsgruppen:

  • Arbeitnehmer in Bereichen der Lagerlogistik, in denen der Mindestabstand von 2 Metern regelmäßig nicht eingehalten werden kann
  • Arbeitnehmer mit unmittelbarem Kundenkontakt (zB auch bei persönlichen Besprechungsterminen etc)
  • Alten-, Pflege- u Behindertenheime und Krankenanstalten

Der Anspruch auf Freistellung besteht laut General-KV für „die Teilnahme an einem Test erforderliche Zeit“ und zusätzlich für die „An- und Abreisezeit zum Test“. Welches zeitliche Ausmaß davon umfasst ist, ist nicht näher konkretisiert, weder im General-KV an sich noch in den dazu veröffentlichten FAQs. Eine ausdrückliche Regelung wäre für die Praxis wünschenswert gewesen, um derzeit ohnehin weitgehend unklare rechtliche Situationen und Fragestellungen zumindest in diesem Punkt zu vermeiden. Im gegenständlichen Fall ist mE davon auszugehen, dass von dieser Freistellung nur ein kurzer Zeitraum im Ausmaß von maximal ein bis zwei Stunde umfasst ist, jedenfalls aber kein Freistellungsanspruch für einen halben oder sogar ganzen Tag besteht. Ausschlaggebend für das tatsächliche zeitliche Ausmaß der Freistellung ist aber sicher auch die örtliche Lage des Betriebes (oder der Home-Office-Tätigkeit) und dem Zugang zu den Testmöglichkeiten. Bietet der Arbeitgeber Tests In-House an, erspart man sich diese Diskussion von Vornherein.

Sofern keine Testpflicht besteht – zB bei Tätigkeit im Betrieb aber Abhaltung sämtlicher Kundenterminen im elektronischen Wege (wie dies § 5 Abs 8 der 3. COVID-19-NotMV als „tunlichst“ empfiehlt) sind freiwillige Tests tunlichst außerhalb der Arbeitszeit zu absolvieren. Sollte das nicht möglich sein, besteht maximal einmal wöchentlich ebenso ein Anspruch auf Freistellung unter Entgeltfortzahlung.

Der Testtermin ist generell – unabhängig ob verpflichtend oder freiwillig – einvernehmlich mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren.

Der General-KV sieht dann auch noch die Möglichkeit von Selbsttest vor und hält dazu fest: „Sofern Selbsttests zulässig sind, können diese genutzt werden.“ Fraglich erscheint, worauf diese Regelung eigentlich abzielt. Laut 3. COVID-19-NotMV muss zumindest bei der Testpflicht alle sieben Tage ein Antigen-Test auf SARS-CoV-2 oder ein molekularbiologischer Test auf SARS-CoV-2, durchgeführt werden, dessen Ergebnis negativ sein muss. Darüber ist ein Nachweis vorzuweisen und für die Dauer von sieben Tagen bereitzuhalten. Bei Selbsttests wird es faktisch keinen Nachweis geben, außer es handelt sich wieder um vom Arbeitgeber ohnehin organisierte Screeningprogramme, die medizinisch geschultes Personal oder spezielle Labore durchführen. Aktuell geht diese Regelung wohl eher ins Leere.

2. Benachteiligungsverbot

In § 3 des General-KV ist normiert, dass Arbeitnehmer wegen der Inanspruchnahme von Tests, generellen Ansprüchen aus dem General-KV oder einem positiven Testergebnis nicht entlassen, gekündigt oder bei Entgelt, Aufstiegsmöglichkeiten und Versetzung benachteiligt werden dürfen.

Bestehende Regelungen in Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträgen oder betrieblichen Übungen, die für Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen vorsehen, werden durch diese Regelung und den General-KV an sich nicht berührt. Fraglich erscheint auch in diesem Zusammenhang, inwieweit es sich dabei tatsächlich um „verbindliche“ Regelungen in dem Sinne handelt, dass daraus ein echter (Motiv)Kündigungsschutz ableitbar ist. Ein Verweis auf § 105 ArbVG ist nämlich nicht enthalten und wäre ein solcher wohl auch nicht vom Regelungsbereich der Sozialpartner in einem Kollektivvertrag umfasst (Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2 ArbVG Rz 70 (2018)). Nähere Erläuterungen dazu enthält weder der General-KV noch die FAQs dazu.

3. Abnehmen der Maske

Darüber hinaus wurden für Arbeitnehmer, die aufgrund eines Gesetzes oder einer Verordnung während der beruflichen Tätigkeit verpflichtet sind, eine Maske zu tragen, gewisse Erleichterungen geschaffen. Diesen Arbeitnehmern ist durch geeignete arbeitsorganisatorische Maßnahmen, jedenfalls nach 3 Stunden Maskentragen, ein Abnehmen der Maske für mindestens 10 Minuten zu ermöglichen. Aktuell gilt die Maskenpflicht auf Basis der 3. COVID-19-NotMV für folgende Bereiche:

  • in geschlossenen Räumen am Ort der beruflichen Tätigkeit, sofern nicht ein physischer Kontakt zu anderen Personen ausgeschlossen ist oder das Infektionsrisiko durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen minimiert werden kann;
  • in Alten-, Pflege- u Behindertenheime (dort auch ausdrücklich FFP2) und Krankenanstalten (ebenso FFP2)
  • bei Benützung von KFZ, Luftfahrzeugen, etc.
  • sofern kein aktueller Nachweis über einen negativen Test vorliegt, für Arbeitnehmer in Bereichen der Lagerlogistik, in denen der Mindestabstand von 2 Metern regelmäßig nicht eingehalten werden kann (dort auch ausdrücklich FFP2)
  • sofern kein aktueller Nachweis über einen negativen Test vorliegt, für Arbeitnehmer mit unmittelbarem Kundenkontakt (zB Handel, erlaubte Dienstleistungen, dort auch ausdrücklich FFP2) während des Kundenkontakts.

Besonders hervorzuheben ist, dass es sich dabei ausdrücklich nicht – wie zu Anfang missverständlich kommuniziert – um eine bezahlte „Maskenpause“ handelt! Diese  Möglichkeit der Abnahme kann auch rein durch den Wechsel der Tätigkeit erfolgen oder dadurch, dass zB die Mittagspause so gelegt wird, dass die 3 Stunden nicht überschritten werden.

Laut FAQs zum General-KV ist eine Abnahme auch in einem Pausenraum oder sonstigem Betriebsraum zulässig, der nur durch einen Arbeitnehmer genutzt wird, oder durch geeignete Schutzmaßnahmen getrennt ist (Trennwände, Plexiglas etc). Nur dann, wenn kein Wechsel auf eine Tätigkeit ohne Maske möglich ist, gebührt tatsächlich eine Unterbrechung im Sinne einer bezahlten Arbeitszeit.

Wesentlich ist auch, dass die Einhaltung dieser Pflichten nicht vom Arbeitsinspektorat kontrolliert wird und von diesem somit auch keine Verwaltungsstrafen verhängt oder angedroht werden können. Es handelt sich dabei nicht um einen Zuständigkeitsbereich des Arbeitsinspektorates.

Eigene Anmerkung

Den Sozialpartnern ist wohl beizupflichten, dass die aktuelle besondere Situation besonderer Mittel bedarf und somit auch die Einführung eines General-KV jedenfalls seine Rechtfertigung hat. Dieser stellt zweifelsfrei gemeinsam mit der verstärkten Testpflicht und den schärferen Regelungen zum Tragen von Masken einen wichtigen Schritt in Richtung Öffnung und Hochfahren der Wirtschaft dar und somit zur Bewältigung der Corona-Krise.

Was jedoch wünschenswert gewesen wäre – ebenso wie bei der aktuellen Gesetz- und Verordnungsgeben generell – wären doch klarerer Regelungen gewesen, insbesondere im Hinblick auf das zeitliche Ausmaß der Freistellung, um von vornherein etwaige Diskussionen und unterschiedliche rechtliche Auslegungsvarianten zu unterbinden. Darüber hinaus bleibt zu hoffen, dass der derzeit eher lange angesetzte Geltungsbereich – bis 31.08.2021 – tatsächlich nicht notwendig bzw ausgenutzt werden muss.

Dr. Christina Traxler ist Rechtsanwältin bei LeitnerLaw Rechtsanwälte in Linz und spezialisiert auf die Themenbereiche Arbeitsrecht, Verwaltungsstrafrecht, Prozessführung, Unternehmens- und Vertragsrecht. Zudem ist sie Fachautorin und Vortragende in diesen Rechtsgebieten.

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Mag. Christina Traxler ist Rechtsanwältin bei LeitnerLaw Rechtsanwälte in Linz und spezialisiert auf die Themenbereiche Arbeitsrecht, Verwaltungsstrafrecht, Prozessführung, Unternehmens- und Vertragsrecht. Zudem ist sie Fachautorin und Vortragende in diesen Rechtsgebieten.

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